Kollektion München - Italien (Textauszug)
Eine malerische Hommage an architektonische Meisterwerke
In seiner Serie Kollektion München – Italien widmet sich Christian Evers den ikonischen
Bauwerken und Skulpturen zweier Kulturräume, die seit Jahrhunderten künstlerische Exzellenz
verkörpern. Doch anstatt sie lediglich abzubilden, erfindet er sie neu – dynamisch, lebendig und
durchdrungen von einer einzigartigen Ästhetik, die traditionelle Malerei mit den expressiven
Elementen japanischer Tuschkunst und der narrativen Kraft der Comic-Kunst vereint.
Seine Werke sind keine bloßen Dokumentationen architektonischer Errungenschaften, sondern
subjektive Neudeutungen, die Bewegung in die statische Monumentalität der Steingebilde
bringen. Licht und Schatten spielen dabei eine essenzielle Rolle: Sie verbinden das Hauptmotiv
mit seiner Umgebung und erzeugen eine Tiefenwirkung, die den Betrachtenden in einen Dialog
mit dem Werk treten lässt. Trotz klarer Strukturen bleiben bewusst Leerstellen und Andeutungen
bestehen – Freiräume für individuelle Assoziationen.
Zwischen Vergangenheit und Gegenwart – Eine Hochachtung an die Kunstschaffenden vergangener
Epochen
Evers’ Serie ist eine Verbeugung vor jenen Künstlern, Architekten und Bildhauern, die mit
unvergleichlichem handwerklichen Können Monumente schufen, die weit über ihre Zeit
hinausstrahlen. In einer Ära, in der alles auf Knopfdruck verfügbar scheint, in der sich Begriffe wie
Qualität, Wert und Fleiß in einer Welt des schnellen Konsums zunehmend auflösen, möchte der
Künstler das Staunen und die Wertschätzung für diese Meisterwerke zurückbringen.
Dabei geht es ihm nicht nur um das Sichtbare – die Formen, Strukturen und Perspektiven –,
sondern auch um das Unsichtbare: den Geist der Schaffenden, ihre Intentionen und ihre Suche
nach Perfektion. In seinen Zeichnungen taucht Evers tief in das Denken der damaligen Bildhauer
ein, stellt sich vor, wie sie ihre Plastiken formten, das Material bearbeiteten, um dem Stein eine
fast atmende Lebendigkeit zu verleihen. Was wollte der Künstler damals ausdrücken? Wie verlieh
er seiner Skulptur Präsenz, als wollte er sie aus dem Material befreien und ihr eine Seele
einhauchen?
Das Göttliche im Stein – Mystik und Mythos in der Architektur
Viele der dargestellten Monumente sind nicht nur architektonische oder künstlerische
Meisterwerke, sondern auch Träger eines tieferen, fast transzendenten Ausdrucks. Die Bauwerke
und Skulpturen vergangener Epochen waren oft weit mehr als bloße Zeugnisse handwerklicher
Fertigkeit – sie vermittelten eine Verbindung zum Göttlichen, zum Überweltlichen. Die Künstler
jener Zeit schufen Werke, die Ehrfurcht einflößten, die Macht, Spiritualität und das Unfassbare ins
Diesseits übertrugen.
Evers greift diesen Aspekt auf und verstärkt ihn durch seine malerische Interpretation. Durch
seinen expressiven Stil verwandelt er die starren Formen in dynamische Szenen, die zwischen
Realität und Vision oszillieren. Seine Illustrationen lösen die physische Schwere der Gebäude auf,
verändern Blickwinkel und Atmosphären und eröffnen so neue Wege der Wahrnehmung.
Zwischen Realität und Interpretation – Die Freiheit des Illustrators
Als Illustrator nimmt sich Evers die Freiheit, über das reine Abbilden hinauszugehen. Er verändert
Perspektiven, spielt mit Licht, Kontrasten und Kompositionen, um den Betrachtenden einen
neuen Blick auf Altbekanntes zu ermöglichen. Die massiven Bauwerke werden durch seine Linie
scheinbar leichter, durchlässiger, fast entmaterialisiert – und doch bleibt der ursprüngliche Geist
der Werke erhalten.
Gleichzeitig setzt er das Bestreben der alten Bildhauer fort: Während diese versuchten, ihre
Figuren so lebendig wie möglich zu gestalten, nutzt Evers die zeichnerischen Mittel, um diese
Lebendigkeit zu verstärken. Indem er die Grenzen des soliden Materials überschreitet und die
starre Monumentalität der Bauwerke durch seine expressive Linienführung auflockert, schafft er
eine neue, atmosphärische Realität – eine, die nicht nur betrachtet, sondern erlebt werden will.
Die Printausgabe des vollständigen Katalogs zur Serie erscheint 2025.
